top of page
AutorenbildJanina Bajramovic

Lanz, Precht und das Schulsystem

Im Podcast von Lanz und Precht hat sich letztens das bestätigt, was ich in meinem Statement sagen wollte: Außerhalb des Podcasts kommen Lanz und Precht einfach anders rüber als in eben diesem. Daher ist es doch vielleicht ganz spannend, mal nicht die Shows oder Interviews genauer anzusehen, sondern den Podcast. Insbesondere das Thema Schule hat mich interessiert.


In der Podcastfolge 63 und 64 möchten Lanz und Precht über das Schul- und Bildungssystem sprechen. Ich möchte hiermit deren Ideen zusammenfassen (für Vollständigkeit aber bitte selbst reinhören), weitere Ressourcen hinzuziehen und meine eigene Vorstellung von Bildung in Deutschland ergänzen, sodass nachher ein Ganzes draus wird.


Meine Idee mit meinem Beitrag ist, eine mögliche Vision zu liefern, die nicht nur meine eigene ist, sondern eben auch von der einen oder anderen Person des öffentlichen und/oder akademischen Lebens bereits kommuniziert wird. Diese Vision muss nicht jedem Menschen gefallen. Sie muss auch nicht einfach umzusetzen sein. Meine erste Prämisse hier ist, dass die Lösung wichtiger sein muss als das Geld. Hier befinden wir uns schon in einem utopischen Zustand, denn oftmals ist Geld wichtiger als das Erreichen der bestmöglichen Lösung.


Ich behaupte, dass Deutschland jetzt Verluste einfahren muss, um in Zukunft eine starke Arbeits-, Bildungs- und Kaufkraft aus glücklichen und gut ausgebildeten und gerne arbeitenden Menschen zu sein. Deshalb noch einmal: Die Lösung ist teuer und sie muss Deutschland mehr wert sein als das Geld. Das als Prämisse für die hier präsentierte Vision.


Kommen wir nun erst einmal zu Lanz und Precht, Folge 63. Die Dinge, die ich nun zusammentrage, sind größtenteils von Precht und auch ein bisschen von Lanz. Sollte ich einen Gedankengang ergänzen, erwähne ich es ausdrücklich.


Die Urteilsfähigkeit von den Lernenden muss gefördert werden – Precht sagt zwar, dass es bereits im Deutschunterricht geschehe, aber so habe ich es persönlich nicht in Erinnerung. Ich habe eher gelernt, Dinge so zu interpretieren, damit die Lehrkraft einem zustimmt. Praktisch das Gegenteil eines guten Urteilvermögens. Precht meint, das geschehe im Deutschunterricht (u.a.), während ich sagen würde, für die heutige Medien- und Urteilskompetenz sollte gezielter Unterricht stattfinden und Lehrkräfte angestellt werden, die diese Kompetenz vermitteln können, dementsprechend auch die Medien der Lernenden kennen und verstehen.


Es sollte weniger ein „TikTok ist schlecht für dich“ sein, sondern eher ein „Schauen wir uns täglich einen Teil der TikTok Bubble an und diskutieren darüber, indem wir noch andere Informationsquellen hinzuziehen“. – mein Beitrag.


Das wird auch gut von Lanz und Precht mit der Beobachtung ergänzt, dass es heute nicht mehr um die Beschaffung von Informationen allein geht, sondern eben um das Filtern von News und Fake News, da es heutzutage vonseiten der Regierungen kaum noch möglich ist, Menschen vom Wissen abzukapseln. Diese Beobachtung bestärkt meine Annahme, dass wir geschulte Lehrkräfte brauchen, die pädagogisch wertvoll den Lernenden beibringen, mit der Flut an Medieninformationen umzugehen.


Zurück zu Lanz und Precht:

Der Lehrplan ist präskriptiv und dementsprechend nimmt er die Kreativität, denn diese kommt nur in der Zeit der freien Gestaltungsmöglichkeit.

Heutzutage verläuft nichts mehr wirklich planbar, deshalb ist auch ein Bildungssystem nach Plan obsolet.

Precht betont, dass das deutsche Schulsystem noch aus der Zeit des preußischen Militärs stammt.


Ich habe da versucht, etwas zu finden, und bin auf zwei Quellen gestoßen, die ich interessant finde und auch verlinke. Natürlich gibt es mehr Quellen, Google ist dein Freund. Zunächst gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein zweigliedriges Schulsystem mit Volksschulen für die große Masse und Gymnasien für die kleine Elite.


Später, als Antwort auf die Industrialisierung, wurden dann noch „Realanstalten“ und Fachschulen eingeführt, um Bildung in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Handel, Sprachen zu fördern. Ich finde es sehr interessant, weil damals ja durchaus ein anderes Bild von der Notwendigkeit bestimmter Fächer vorgeherrscht hat – irgendwo war es mir klar, aber mich wundern da doch schon die Fächer.


Jedenfalls wurde so schon eine vielfältige Form der Bildung für alle Bevölkerungsschichten (theoretisch) geschaffen. Später gab es dann noch in der Weimarer Republik eine gemeinsame Grundschule für alle.


Bildung schien Macht zu sein. Und das sollte gut gegliedert sein. Besonders im Nazi-Deutschland war es deshalb beliebt, die Lernenden noch genauer zu differenzieren, sodass beispielsweise Sonderschulen entstanden, um sogenannte „lernunfähige“ Kinder geeignet zu fördern. Dabei wurden auch rassistische Ideale umgesetzt.



Nach dem zweiten Weltkrieg sollte das deutsche Schulsystem komplett geändert werden, auch dass diese gegliederten Mittel- und Oberschulen verschwinden (Gymnasien sollten abgeschafft werden). Eindeutig hat dies nicht geklappt.


Außerdem sah es nach Untersuchungen zum Bildungsstand in Deutschland nicht gut für die Bildung aus.


Springen wir direkt mal in die 1960er, denn da fiel mir ein Schreiben vom Philosophen und Pädagogen Georg Picht auf:



Dieser Text ist von 1964 und ich habe das Gefühl, er hätte in gekürzter Form zu einem Tweet von heute Morgen passen können. Damit ich jetzt wieder schnell zurück zu Lanz und Precht komme: Die Euphorie rund um ein besseres Bildungssystem starb in den 1970ern mit der Ölkrise – und es scheint ein sich wiederholendes Muster zu sein, dass die Aussicht auf eine Verbesserung im Schulsystem mit neuen Krisen immer wieder stirbt. Ja, es ist das liebe Geld, das knapp wird und woanders gesteckt werden muss.



Aus diesem Text ergibt sich aber meine zweite Prämisse: Eine gute Bildung geht einer guten Wirtschaft voraus. Wenn das Geld also so wichtig ist, dann kann die Bildung nicht unwichtig sein. Das schließt sich logisch gegenseitig aus, vorausgesetzt, beide Prämissen stimmten.


Precht bringt an, dass die Bürokratie oftmals der Feind von Umsetzungsideen ist. Er beteuert, dass es gute Ideen für die Bildung in Deutschland gibt, es aber auf Länderebene und in den Büros mit all den Aufwendungen scheitert.

Meine Ergänzung: Auch sind viele Dinge bei einer erfolgreichen Umsetzung Neuland für alteingesessene Lehrkräfte. Da sollte ein Coaching sinnvoll sein.


Er sagt auch, dass Klassen nicht mehr nach Alter aufgeteilt werden sollen, da sich Kinder unterschiedlich schnell entwickeln (sein Beispiel war, dass sich Jungen langsamer entwickeln als Mädchen). Er gibt in der Folge 63 aber noch keinen Alternativvorschlag.


Die Feinmotorik der Lernenden muss wieder gefördert werden und es sollte von Precht sog. Tobräume eingerichtet werden, damit die Lernenden sich auch mal austoben können.

Die Verbesserung der Feinmotorik könnte, so meine Ergänzung, auch wieder fördern, dass handwerkliche Berufe interessanter gemacht werden können. Generell sollten die Schulen darüber aufklären, welche Berufe alle interessant sind, denn Bürojobs werden immer unwichtiger und ihre Wichtigkeit zu unterbreiten war der Tonus des 20. Jahrhunderts.


Precht ist für eine Kindergartenpflicht ab 3 Jahren, der ich nur zustimmen kann. Wir brauchen mehr Gemeinschaftsgefühl in Deutschland und das kann damit gefördert werden. Auch Precht betont, dass so die Solidarität gefördert werde. Deutschland ist ein Migrationsland, aber wir können deshalb nicht innerhalt nach Herkunft getrennt aufwachsen. Das hilft uns nicht weiter. Die, die hier leben wollen, sollen auch dazu beitragen, dass Deutschland stabil und in sich gesund bleibt. Deshalb Integration und das soll von allen Seiten gutgeheißen und unterstützt werden.


Precht erwähnt die Organisation „Mentor“, bei der Menschen ehrenamtlich (???) das Textelesen und -verstehen fördern. Mich stört hier wieder das ehrenamtlich, sofern es überall so der Fall ist, und Precht schlägt vor, dass die Mentor-Arbeit ja auch Bestandteil verschiedener Ausbildungsberufe sein könnte – so haben die Kinder schnell Kontakt zu verschiedenen Berufsgruppen und finden vielleicht ihre Idole. Das passt auch zu meiner Vorstellung des großen Ganzen und der Gemeinschaft Deutschlands. Sollte es immer etwas Ehrenamtliches sein, würde ich noch dazu neigen, es zu entlohnen, um die Attraktivität zu fördern.


Die Podcastfolge 63 endet mit der Aussicht, dass auch die Anpassung an eine sich immer schneller ändernde Welt gefördert werden soll, da die Lernenden darauf vorbereitet werden müssen, nicht mehr nur einen Karriereweg voraussichtlich zu gehen. Daher auch die Förderung von Selbstmanagement.


Ergänzend erwähnt Precht noch, dass in den Schulen Meditation angeboten werden soll, generell eine Achtsamkeitslehre wäre sinnvoll. Auch hier sehe ich viele Chancen fürs Coaching.



In der 64. Folge möchten Lanz und Precht noch etwas konkreter auf das Thema eingehen – allerdings auch nur so konkret, wie es in einer Stunde mit Anekdoten-Einlagen eben passt.


Precht sieht einen Kontrast zwischen seiner Jugend und der der heutigen 14-/15-Jährigen: Während es in seiner Generation galt, die Eltern noch wegen des Krieges zu verurteilen (für mich eine interessante Sichtweise, denn… mich irritiert die Schuldfrage hier. Aber das gehört nicht zum aktuellen Thema) und alles anders machen zu wollen, haben die heutigen Teenager eher die Hoffnung, dass das Leben ihrer Eltern für sie selbst genauso weiterginge, laut Precht.


Ich habe schon beobachtet, dass meine Vorstellung vom Leben und Idealen (ich bin ein Millennial) viel mehr im Kontrast zu den Ansichten meiner Eltern stehen als die meiner kleinen Schwester, die ein Gen Z ist. Sie denkt schon eher wie meine Eltern und ist auch etwas konservativer. Aber nur mit uns beiden als Beispiel ist es bei weitem keine repräsentative Untersuchung. Falls du dazu etwas ergänzen kannst: Gerne damit in die Kommentare!


Wieder wird betont, dass der heutige Wandel viel schneller vonstattengeht, als zuvor: Veränderungen, Informationsfluss, scheinbar alles.


Hier erwähnt Precht den Begriff „Gegenwartsschrumpfung“ von Lübbe: Precht fasst ihn so zusammen, dass heutzutage Informationen immer schneller neu überarbeitet werden müssen, gerade aufgrund des Informationsflusses (ergänzend dazu: Lübbe erklärt, dass die Vernetzung von Menschen untereinander ein wesentlicher Bestandteil der Menschheit ist – vermutlich gab es überhaupt diesen großen Aufstieg des Internets, jetzt so von mir ergänzt, weil damit der Drang nach Vernetzung maximal befriedigt wurde).


Hier einmal von einer Website:

Eine der Thesen Lübbes lautet: Die wachsende Zahl wissenschaftlicher und technischer Neuerungen führt dazu, dass Informationen immer schneller veralten. Dadurch wird der Zeitraum immer kleiner, in dem unsere einmal erworbenen Kenntnisse von Bedeutung sind - die Gegenwart schrumpft gleichsam, weil die Vergangenheit ihr immer näher rückt. Lübbe nennt die Industrialisierung als Beispiel: Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Spinn- und Webmaschinen noch 30 Jahre genutzt, bevor sie die technische Entwicklung überholte, zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts immerhin noch 15 Jahre, obwohl sie nach dieser Zeit keineswegs verschlissen waren. Mittlerweile ist dieser Zeitraum noch weiter geschrumpft. Für die Kunst gilt das gleiche: Die verschiedenen Stile lösen einander immer schneller ab. "Neu", so Lübbe, steht nicht mehr, wie früher, gegen "alt", sondern gegen "veraltet". Wer heute bereits von morgen ist, ist übermorgen von gestern.


Wer nicht mehr mitkommt, hat also gegebenenfalls bei den heutigen Anforderungen der Zeit verloren. Lübbe betont das lebenslange Lernen und seine Wichtigkeit, was auch gut das allgemein von mir empfangene Gefühl des Lanz und Precht Podcasts wiedergibt.


Precht erwähnt zudem die Schwierigkeiten, mit denen sich eine Person heutzutage stetig auseinandersetzen muss (bei ihm war es in Bezug auf Lernende): Wie soll Technik optimal verstanden werden, wem kann man vertrauen, wenn es um Wissen und Informationen geht, welche Plattformen sind vertrauenswürdig. Expertise kann es nicht überall geben und auch nicht alle Punkte stets bedienen und das macht die Informationsverarbeitung von Lernenden schwer.


Hinzukommt, dass die Auswahl heute grenzenlos erscheint. Precht nutzt hier das Wort „Multioptionsgesellschaft“: Bei so vielen Optionen, was man später werden kann, besteht eben auch die Chance, das Falsche zu wählen. Viel mehr wird darauf nicht eingegangen, und ich möchte hier kurz ergänzen, dass multiple Optionen und die Chance, das Falsche zu wählen, keine Angst bei jungen Menschen auslösen sollte, sondern eher eine Freude, zu wählen und auszutesten:


Gerade durch die heutige Zeit sollten die 20er noch als eine Art Orientierungsphase gesehen werden, in der eine Person auch mal drei Abschlüsse oder zwei abgebrochene Ausbildungen/Studien und einen Abschluss am Ende hat, anstatt schon zu Beginn durch Ängste und Bedingungen eingeschränkt zu sein. Das kann manche Menschen krank machen und ihnen die Chance nehmen, ihr Potential bereits frühzeitig zu entfalten. Ich habe bis heute das Gefühl, dass mir ein paar Jahre verloren gegangen ist, weil ich die vielen Optionen aus Gründen nicht genutzt habe.


Wenn es um die Fächerwahl geht, erwähnt Precht Bob Blumes Begriff vom „Stofffetisch“, also dass es in der Schule zu oft darum ginge, möglichst viel Inhalt (Stoff) in die Köpfe der Lernenden zu bringen, ohne realen oder praktischen Bezug.


Bildquelle Blume: https://youtube.com/@Netzlehrer


Auch erwähnt Precht seine vermeintliche Lieblingsidee aus der Renaissancezeit: Kinder wollen nicht wie Fässer gefüllt, sondern wie Fackeln entzündet werden. Gemeint ist hiermit, dass eben dieser „Stofffetisch“ unangebracht und für Lernende überhaupt nicht förderlich ist.


Der Schulstoff solle dementsprechend reduziert werden, Precht lehnt sich da auch an Bob Blume wieder an und erklärt, dass ein basales Kerncurriculum doch ausreiche und sonst den Lehrenden mehr Freiraum gegeben werden solle.


Ich möchte hier einmal ergänzen, dass es möglicherweise auch Lernende gibt, die sich wohlfühlen, mit Wissen gefüllt zu werden. Sie entfachen ihr eigenes Feuer vielleicht erst später in den 20ern. So meine Vermutung. Für solche Lernenden wäre es natürlich sinnvoll, auch „Füllquellen“ mit „Stofffetisch“ anzubieten. Das mündet ganz gut in Prechts weitere Idee, Lernvideos im Stile der Khan Academy anzubieten.


https://www.khanacademy.org/


Mit der Khan Academy haben, laut Precht, Kinder in Indien ihren Schulabschluss erhalten, indem sie in Cafés o.ä. Orten die kostenlosen Videos der Khan Academy gesehen haben. Also auch mit Wissen füllen kann förderlich sein. Angelehnt an Prechts Idee, Mathematik zum Beispiel am Computer zu lernen, sodass Lernende ihr individuelles Lerntempo entwickeln können, Schwächere gefördert und Stärkere gefordert werden, kann ich mir gut vorstellen, dass Lehrvideos zu allen möglichen Themen angeboten werden sollen, um diejenigen wie Fässer zu füllen, die es brauchen und genießen.


Lehrende nehmen beim reinen technischen Lernen die Rolle eines Coaches ein, falls besonderer Bedarf besteht. In anderen Fächern müssen Lehrende weitere Aufgaben unternehmen, damit die Lernenden das zu Lehrende und Lernende bewusst erleben.


Precht und Lanz hatten eine kleine Diskussion, wie viel individualisiertes Lernen noch in Ordnung ist, ohne möglicherweise ausgrenzend für manche Lernenden zu werden – den genauen Wortlaut habe ich hier nicht wiedergegeben. Precht sagt, dass es sich nicht gegenseitig ausschließen müsse, die Begabteren noch mehr zu fordern und damit zu fördern als die weniger Begabten. Besonders im Bereich IT sei es wichtig, die Talentierten schnell zu identifizieren und optimal zu fördern.


Auch wenn ich Lanz‘ Bedenken verstehe, finde ich es auch gut, Menschen nach ihren Fähigkeiten zu fördern und fordern, auch wenn es bedeutet, klar zu differenzieren, wenn jemand in bestimmten Fächern absolut unbegabt ist. Das muss ja nicht heißen, dass diese Person es in allen Fächern ist. Am Ende kann man somit eine optimale Motivation fördern.


Auch Namen zum individuellen Lernen fallen wie Montessori beispielsweise.


Precht erwähnt, dass Schule für die Lernenden weniger eine Frage des Stofflernens ist, sondern eher ein Ort, um „soziales Schachspielen“ zu lernen.


In Verbindung mit Montessori musste ich an meine Schulzeit zurückdenken, und ich habe im Wesentlichen gelernt, in der Montessori-Zeit, also den Stunden, in denen man frei lernen sollte, meine kreative Zeit wie zeichnen und Geschichten schreiben auszuleben und bei den Lehrenden Stempel für Dinge zu bekommen, die ich eigentlich aber nicht gemacht habe – denn das Zeichnen und Schreiben war zu begrenzt, um es in der Menge machen zu dürfen, die für mich interessant war. Außerdem gab es die Regel, bestimmte Fächer mindestens einmal in der Freiarbeit zu bedienen, was ich als störend empfand.


Soziales Schach habe ich bei meiner Selbstentfaltung ausgelassen, das war mir zu anstrengend. Ich habe das Gefühl, dass Precht solche Kinder übersieht. Er erwähnt immer wieder, dass Jungen ja schon früh an Mädchen interessiert sein könnten, und sich da automatisch das Interesse an sozialem Schach ergibt. Ich denke aber, dass es viele Kinder und Jugendliche gibt, die da untergehen. Precht und Lanz gehen überhaupt nicht auf neurodivergente Lernende ein, die von einem zu freien Konzept überfordert sein könnten und dennoch freie Gestaltung brauchen. Diese Lernenden dürfen nicht in der neuen Vision eines Bildungssystems untergehen, denn das passiert jetzt auch schon.


Das Thema Uniformen fand ich sehr interessant, denn Lanz sagt da sehr treffend „Wenn du arm aufwächst, wünscht du dir Uniformen.“. Ich stimme da vollkommen zu. Es kann für Kinder und Jugendliche schrecklich sein, nicht die gleichen Markenschuhe tragen zu können, als Beispiel. Das ist unglaublich belastend, auch wenn die Eltern das vielleicht nicht sehen. Eine Uniform würde eine Gleichheit und den Gemeinschaftssinn fördern.


Das arme Kind, das aber eine natürliche Begabung für Informatik mitbringt, sieht dann genauso aus wie das reiche Kind, das sich mehr für Literatur oder Sport interessiert. Sie beide treffen sich gelegentlich in bestimmten Kursen, aber können sich sonst individuell entfalten. Vergleiche von Status fallen nicht komplett weg, immerhin haben auch junge Menschen bereits einen Mund zur verbalen Kommunikation, aber sie werden vielleicht zumindest reduziert.


Lanz und Precht einigen sich darauf, dass im Grunde jede Schule entscheiden könne, wie sie wolle. Ich sehe darin nur den Haken, dass vielleicht die für ein Kind optimalste Schule vielleicht wieder diese unsichtbare Diskriminierung mit sich bringen könnte, wäre dieses Kind ärmer oder reicher als der dortige Durchschnitt.




Lanz fragt Precht am Ende, welche Punkte er sich für Schulen am meisten wünscht:

  • Individuelles Lernen, fast schon wie ein College-System

  • Fächerübergreifender Unterricht

  • Handwerk fördern

  • Praktiker in die Schule holen (Lernende sollen früh mit Berufsgruppen in Kontakt kommen)

  • Start-up-Unternehmen in die Schule holen

  • Mit den zwei vorigen Punkten: Schule und Praxis besser kombinieren

  • Spielerische Konkurrenz schaffen

  • Noten abschaffen


Eines klingt nur ein bisschen bei Precht durch, daher möchte ich es einmal stärker betonen: Das Abitur muss an Prestige verlieren und die handwerklichen Berufe dafür gewinnen. Das funktioniert am besten über den direkten Austausch mit Praktikern und das frühe Zeigen vieler Berufe. Ich kann mich noch daran erinnern, im Kindergarten mal einen Hersteller von Backwaren mit der Gruppe besucht zu haben. Danach kam ich nie wieder mit einer solchen Arbeit in Berührung und das ist äußerst schade.


Es kann nicht oft genug betont werden, dass in der heutigen Zeit schon früh die rasche Anpassung an Veränderungen gefördert werden muss. Praktiker in die Schule zu holen kann mit Ausblick auf die Zukunft verknüpft werden: Wir brauchen mehr Menschen im Handwerk, in der Pflege und im Sozialen, also soll es mehr Besuche von Praktikern aus diesen Berufszweigen geben. Ist das Curriculum von Matrizen und Effi Briest befreit (yes, I’m this old), gibt es mehr Zeit, die Welt nach der Schule bereits während der Schulzeit ausgiebig zu erkunden.


Eine Veränderung des Bildungssystems ist kostspielig. Wie eingangs erwähnt, muss die Lösung mehr wert sein als das Geld. Je früher den Lernenden durch Coaching eine Identifikation mit sich selbst und mit einem Lebensstil gefördert wird, desto glücklicher sind sie später in ihren Berufen. Je glücklicher die Menschen in ihren Berufen sind, desto besser ihr Leben. Dadurch werden möglicherweise auch weniger Menschen krank, was das gesamte System entlastet und die Kaufkraft fördert.


Eine gute Investition in ein starkes Deutschland beginnt also in der Bildung und in der Sozialisation von Kindern. Ich möchte dahingehend noch einmal Prechts Kindergartenpflicht anbringen.


In Lanz und Precht kamen mir neurodivergente Kinder ein bisschen zu kurz. Hier brauchen wir aussagekräftige Frühdiagnosen, um diese Menschen auch optimal zu fördern. Manche können eine ganz normale Schullaufbahn haben, und brauchen vielleicht nur wenige Male Unterstützung von einer Fachkraft. Das sollte gewährleistet werden.


Ich möchte nicht sagen, dass diese Vision realistisch ist. Sie ist bewusst utopisch, denn das regt zum Handeln an, in Idealen zu denken, auf die man sich zubewegen möchte. Irgendetwas zu tun, anstatt stehen zu bleiben, ist gut. Das Schulsystem sollte bereits in den 1960ern reformiert werden und es scheiterte an der Ölkrise.


Wir werden immer mehr Krisen haben. Wir können nicht wegen Krisen also die Reformierung des Bildungssystems immer wieder auf Eis legen, denn dann wird sich nie etwas ändern. Krisen kürzen die Gelder, deshalb wird am Bildungssystem nichts geflickt, während es eine akute Krise gibt. In Anbetracht der großen Möglichkeit, dass wir nie wieder akut krisenfrei sein werden: Das Geld darf nicht wichtiger sein als die Lösung.


Ergänzend möchte ich noch die persönlichen Beobachtungen einer mir bekannten Person anbringen, die selbst als Lehrerin tätig ist. Sie hat von Primar bis Sekundar schon einige Schulformen kennengelernt und sagte mir, dass es eigentlich mittlerweile ein sehr differenziertes Netz gibt. Ich erwähnte, dass ich dann nicht verstünde, warum die Abschlussqualität so schlecht sei. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass auch die Eltern Teil des Problems sind, da sie manchmal die Kinder nicht richtig unterstützen können oder wollen. Hier muss auch viel mehr gecoacht und aufgeklärt werden in Zukunft.


Aus anderen Berichten, wie beispielsweise auch der Reportage, zu der auch Flo, Olli, Paul reacted haben, geht hervor, dass es ziemlich schlimm um die Schulen steht. Deutschland muss mehr in die Bildung investieren.

4 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page