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AutorenbildJanina Bajramovic

Manchmal ist das Beste nicht gut genug

Ich versuche mit diesem Beitrag eine Brücke zwischen nicht intendiertem Gaslighting und Ausbrennen zu bauen. Er könnte also hilfreich für Personen sein, die

a. mit anderen Menschen zu kommunizieren versuchen, wo Letztgenannte die Erstgenannten verletzt haben, und stattdessen das Gefühl haben „gegaslightet“ zu werden, obwohl sie sich gleichzeitig nicht vorstellen können, dass die anderen Personen wirklich intendieren würden, ihnen zu schaden (beispielsweise in einem Eltern-Kind-Verhältnis, in dem das Kind Traumata zu verarbeiten versucht, die Eltern es aber nicht ertragen, etwas in der Erziehung falsch gemacht haben, weil sie ihr Kind ja lieben).

b. auf der Arbeit ausbrennen, weil sie versuchen, für alle das Beste zu tun, aber im Feedback immer wieder die Information erhalten, nicht genug gegeben zu haben.

Disclaimer: Gaslighting ist eine gefährliche Manipulation, wenn es absichtlich ausgeführt wird. Hierbei wird der verletzten Person suggeriert, dass sie den Schmerz sich nur einbilde, weil sie die verletzende Behandlung vonseiten einer anderen Person als „zu sensibel“ auffassen würden. Oder ihr wird suggeriert, dass sie sich „nur anstelle“, oder sich die emotionale Verletzung nur „einbilde“, denn man hatte ja nicht vor, sie zu verletzen. Manchmal setzen Menschen Gaslighting gezielt ein, um ihrem Opfer auszureden, dass es tatsächlich ein Opfer ist. Manchmal aber gaslighten Menschen aus Versehen, weil sie sich durch den vermeintlichen Vorwurf, der aber tatsächlich die Äußerung eines Traumas ist, ebenfalls verletzt fühlen. Beide Parteien können sich darin hochschaukeln und niemandem ist damit geholfen. Beabsichtigtes Gaslighting ist eine bösartige Form, einem Opfer Gefühle und grundlegende Rechte abzusprechen. Versehentliches Gaslighting muss durch Kommunikation behandelt werden: Beide Parteien müssen einander verstehen lernen, und die erste Basis dafür ist, dass sich alle Beteiligten ohne Urteil der anderen äußern dürfen. Wichtig hier sind Gefühlsbeschreibungen „Damals habe ich gehört/gesehen, dass du [zu mir] X gesagt/gemacht hast. In dem Moment habe ich mich Y gefühlt.“ Hierbei darf alles mit „du“ nicht als Vorwurf im Raum stehen, sondern muss urteilsfrei beschrieben werden. Wer zu einer solchen Unterhaltung nicht fähig ist und weiterhin der anderen Person das Opfer-/Verletzten-/Traumatisiertengefühl abspricht, ist nicht wert, jemanden auf dem Pfad der Heilung zu begleiten. In diesem Beitrag geht es um das unintendierte Gaslighting und um kommunikations- ergo aussprachefähige Personen.

Sowohl zu Fall a. als auch Fall b. möchte ich den folgenden Satz vorstellen: Manchmal ist das Beste, das man in einem Moment geben kann, nicht gut genug – und das ist in Ordnung.

Dieser Satz kann bedeuten, dass

a. jemand das Beste für jemanden möchte und das eigene Beste dafür gibt, sich gegebenenfalls fast aufgibt, und dennoch das Resultat bedeutet, dass bestimmte Bedürfnisse nicht erfüllt werden.

b. jemand sein Bestes in einer Situation gibt und es für das, was am Ende insgesamt gebraucht wird, nicht ausreicht.

Und dieser Satz bedeutet gleichzeitig, dass es vollkommen in Ordnung, richtig, angebracht und okay ist, dass das Beste nicht ausreichend genug ist.

Ich möchte diesen Satz gerne global, kosmisch und im großen Ganzen gültig machen. Wir alle sollten unser Bestes geben, oder wollen unser Bestes geben, und leider kann es nichtsdestotrotz vorkommen, dass das Beste nicht genug ist. Denn das Beste zu geben liegt in unserer Macht, während das global Benötigte oder die Bedürfnisse anderer nicht in unserer alleinigen Macht liegt.

Der Vorteil an diesem Satz ist, dass er uns die Schuld nimmt. Schuldgefühle, egal ob für Fall a. oder b., sind lähmend und liegen schwer auf unseren Schultern. Wir tragen sie, obwohl kosmisch betrachtet es nicht unsere Aufgabe ist, sie mit uns herumzutragen. Denn: Kosmisch sind wir nicht in der Lage, genug zu geben. Wir sind lediglich nur in der Lage, unser Bestes zu geben.

Mit diesem Satz kann man verzeihen lernen. Man kann lernen, anderen und sich selbst zu verzeihen.

a. Nach unintendiertem Gaslighting und einer klaren Aussprache wissen alle Beteiligten, dass sie sich gegenseitig lieben und dass sie sich wichtig sind. Und gleichzeitig kann die Wahrheit existieren, dass sie ihr Bestes geben und es nicht gereicht hat und ggf. auch nie reichen wird. Man kann sich gegenseitig lieben, verstehen, das eigene Beste beisteuern und nicht die vollen Bedürfnisse erfüllen. Man kann all dies gleichzeitig und es ist in Ordnung so.

b. Man kann sein Bestes im Bildungssystem (Schule, Lehre, Ausbildung, Studium, …) oder im Betrieb oder überall geben und es kann gleichzeitig nicht genug für ein Ziel oder ein Bedürfnis sein. Beides darf coexistieren und es ist niemandes Schuld.

Man verstehe mich hier nicht falsch: Manchmal geben wir unser Bestes und schießen völlig übers Ziel hinaus, manchmal ist unser Bestes das allgemein Beste. Manchmal ist unser Bestes genau richtig. Manchmal ist unser Bestes vollkommen deplatziert. Alles ist in Ordnung. Wichtig ist nur: Verlier nicht die Freude daran, dein Bestes zu geben, weil es manchmal nicht gut genug ist. Gib dein Bestes, denn darauf kannst du mit innerem Nachweis stolz sein. Alles weitere steht nicht in deiner Macht und kann nicht deine Schuld sein.


Es gibt eine mögliche Kritik an dieser Sichtweise: Manchmal werden wir in einem Bereich ausgebildet und müssen da das Beste geben und es muss alle Ziele erreichen oder Bedürfnisse erfüllen. Wenn es im Rahmen des Schaffbaren ist, dann steht dem nichts im Wege. Es ist nachvollziehbar, wenn jemand beispielsweise ausgebildet ist, Häuser zu bauen, und unter optimalen Bedingungen das erbaute Haus aber überhaupt nicht optimal (den Umständen entsprechend) aussieht, dass man sagen könnte, die bauende Person habe nicht ihr Bestes gegeben, denn im Rahmen des Möglichen wäre es gewesen, als ausgebildete Person und unter optimalen Bedingungen ein Haus optimal zu bauen. Das müsste die Person dann mit sich selbst ausmachen: Hat sie wirklich ihr Bestes gegeben oder vielleicht doch geschludert? Woran hat das gelegen (äußere oder innere Umstände)? Eine reflektierte Person weiß dies wahrheitsmäßig zu beantworten.

Anderes Beispiel: Eine in der Medizin ausgebildete und arbeitende Person muss eine Entscheidung treffen, die wiederum über Leben und Tod entscheidet, und sie gibt ihr absolut Bestes – doch das Resultat ist dramatisch und hochgradig tragisch… Dann hat die Person immer noch ihr Bestes gegeben, doch leider hat dies nicht ausgereicht. Es ist nicht falsch, diesen Umstand zu beklagen. Es bleibt dramatisch und tragisch. Eine Tragödie darf betrauert werden. Trauer hat aber nichts mit Schuldzuweisung zu tun. Hat allerdings die in der Medizin ausgebildete und arbeitende Person nicht ihr Bestes gegeben und es gibt keinen äußeren oder inneren Grund, warum, dann halte ich es für nachvollziehbar, wenn die Person mit nachträglichen Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Solche, die es vielleicht nicht tun, sind nicht reflektiert genug und haben andere mentale und intellektuelle Baustellen im Leben, um die sie sich kümmern müssen.

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